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.«Nicht jede Entführung geht gut aus, dachte er.Ganz im Gegenteil.Er schüttelte den Kopf.»Sie haben gehört, was ich den Jungen versprochen habe.Ich bleibe.«Viele Menschen waren der Meinung, dass Alvin Luck den falschen Namen hatte.Mit zweiundfünfzig Jahren, schüt-terem braunem Haar, schmaler Gestalt und einem liebenswürdi-gen, aber schüchternen Lächeln lebte er mit seiner Mutter in einer Mietwohnung an der 86.Straße West in Manhattan.Der Autor von zwölf unveröffentlichten Kriminalromanen verdiente 68sich mit Gelegenheitsjobs ein paar Dollar und hoffte unverdrossen auf seinen Einstieg in die literarische Welt.Entsprechend der Jahreszeit bestand sein aktueller Job darin, in knallrotem Anzug, mit weißem Rauschebart und einem kräftigen »Hohoho!« durch die Spielzeugabteilung eines Billigkauf-hauses nahe dem Herald Square zu stapfen.»Nicht so latschen, Alvin!«, schrie ihn sein Boss regelmäßig an.»Vom Weihnachtsmann erwartet man Statur und Persönlichkeit.«Wenn schon Weihnachtsmann, dann wenigstens bei F.A.O.Schwarz, dachte er häufig.Und nicht in dieser Bruchbude.Alvin war schließlich ein Mann mit Ambitionen.Dass man ihn in den Verlagen noch immer übersah, lag keineswegs an oberflächlichen Recherchen.Er hatte jeden Krimi aufs Gründlichste erforscht, der in den letzten zwanzig Jahren auf der Bestsellerliste der New York Times erschienen war.Was Hand-lungsstränge, Charaktere und Schauplätze anbelangte, war er ein wandelndes Lexikon und kannte sich mit den Details in Hunderten von Krimis aus.Er hatte ganze Notizbücher mit Plots und Verbre-chensbereichen – Spionage, Bankraub, Mord, Erpressung, Brandstiftung, Flugzeugentführung, Kidnapping – gefüllt und zog sie häufig zu Rate, wenn er seine eigenen Geschichten schrieb.Sein einziger Luxus war die Teilnahme an Autorenseminaren, wo er dem klugen Rat erfolgreicherer Kollegen aufmerksam lauschte und bei anschließenden Cocktailpartys versuchte, mit Lektoren und Verlegern ins Gespräch zu kommen.Am Donnerstag bereitete er sich gerade für seinen Weihnachtsmann-Auftritt vor, als er aus dem Radio davon erfuhr, dass sich Nora Regan Reilly das Bein gebrochen hatte.»Denk an meine Worte«, sagte er später vor dem Teller Hafergrütze, die seine Mutter jeden Morgen für ihn zubereitete.»Nora Reillys nächster Roman spielt in einem Krankenhaus.Sie wird aus der gegebenen Situation das Beste machen.«69»Iss deine Grütze, sonst wird sie kalt«, sagte seine Mutter.Folgsam griff Alvin zum Löffel und rührte in dem gräulichen Brei.»Vielleicht sollte ich ihr Genesungswünsche schicken.«»Warum legst du nicht das Foto hinzu, das du auf dem letzten Krimiautoren-Dinner von ihrem Mann gemacht hast?«»Eine gute Idee«, erwiderte Alvin.»Aber nur ein Bild ist wirklich gelungen.Auf dem anderen fehlt sein Kopf, weil er so groß ist.«»Ich habe eine Schwäche für große Männer.Dein Vater war ein Zwerg.Er ruhe in Frieden.«»Vielleicht stecke ich das Foto in einen hübschen Rahmen und bringe es nach der Arbeit im Krankenhaus vorbei.Im Kaufhaus haben sie Rahmen mit Weihnachtsdekorationen.«»Aber gib nicht zu viel aus«, warnte seine Mutter.»Sie sind im Angebot.« Eine gewisse Gereiztheit war in Alvins Stimme zu hören.»Nora Regan Reilly zeigt sich auf den Cocktailpartys immer sehr freundlich und ermutigend mir gegenüber.«»Im Gegensatz zu den grässlichen Lektoren«, seufzte seine Mutter.Beflügelt ging Alvin zur Arbeit und freute sich auf die Überraschung, die er für Nora Regan Reilly plante.Zu seiner Enttäuschung hatten die besten Weihnachtsrahmen bereits Käufer gefunden.Er entschied sich für einen mit der Aufschrift: »Weihnachten bin ich zu Hause – wenn auch nur im Traum«.Da sie ans Krankenhausbett gefesselt ist, trifft der Spruch zwar mehr auf sie als auf ihren Mann zu, dachte er, aber egal.Zu seiner Empörung gab es auf Angebotsartikel keinen Per-sonalrabatt.»Was wollen Sie?«, fragte die Kassiererin und ließ ihre Kau-gummiblase platzen.»Das Zeug wird doch schon jetzt praktisch verschleudert.« Sie betrachtete den Rahmen nachdenklich, bevor 70sie ihn verpackte.»Vielleicht gar keine schlechte Idee«, murmelte sie, als Alvin die Tüte nebst Rahmen in die Tasche seiner Weihnachtsmann-Jacke stopfte.Der Weihnachtsmann der Spätschicht wurde offenbar am Nordpol aufgehalten, und Alvins Boss erklärte ihm, er müsse bis Geschäftsschluss arbeiten.Um acht Uhr abends war Alvin nahezu taub vom pausenlosen Geschrei der Kinder, die mit sadisti-scher Freude auf seinen knochigen Knien herumhopsten, wenn er sich in seiner Werkstatt einmal kurz erholen wollte.»Du siehst überhaupt nicht aus wie der Weihnachtsmann«, hatte ein kleines Schätzchen gemault.Es war ein langer, aufreibender Tag gewesen, aber das hielt Alvin nicht von seiner geplanten Pilgerfahrt zur Upper East Side ab.Da er für den ordentlichen Zustand seines roten Anzugs verantwortlich war, zog er ihn erst im Kaufhaus an und nach Ar-beitsschluss wieder aus.Jetzt lag das gute Stück sorgsam zu-sammengefaltet in einer Einkaufstüte und Luke Reillys gerahmtes Foto obenauf.Zusätzlich hatte Alvin eine Karte mit Genesungswünschen ausgewählt, mit den Worten »Ich nehme an, dieses Foto Ihres Süßen wird Ihnen eine kleine Freude machen« versehen.Aus einer Laune heraus unterschrieb er mit »Ihr größter Fan«.Nun hatte er etwas, worüber er bei der nächsten Zusammenkunft von Krimiautoren mit Nora Regan Reilly reden konnte.Er würde sich als der geheimnisvolle Wohltäter zu erkennen geben, von dem sie das hübsch gerahmte Bild hatte.In der Eingangshalle des Krankenhauses fiel sein Blick auf die Auslagen des Geschenkekiosks.Unter dem Schild »Sonderangebot« hockten ganz entzückende Teddybären mit Weihnachtsmann-Zipfelmützen.Er schaffte es gerade noch, den Kiosk vor Ladenschluss zu betreten.Ich werde Mutter nichts davon sagen, entschied er.Aber wäre es nicht großartig, wenn ein Teddybär Luke Reillys Foto in den Händen hält?71Die Verkäuferin wartete geduldig, bis Alvin den Bilderrahmen ausgepackt und dem Teddy in die Hände gedrückt hatte.Dann schlang sie eine riesige rote Schleife um den Karton, während Alvin das abgezählte Geld auf die Ladentheke legte: vier-zehn Dollar und zweiundneunzig Cents.Nachdem er sich ausgiebig bedankt hatte, ging er zum Empfang, wo man ihm versicherte, das Paket würde Mrs.Reilly unverzüglich gebracht.»O nein«, wehrte er ab.»Erst morgen.Ich möchte sie nicht stören.Vielleicht schläft sie schon.Es ist spät.«»Wie aufmerksam von Ihnen«, lächelte die Frau.»Frohe Weihnacht.«Alvin trat wieder in den kalten Abend hinaus und lief die York Avenue bis zur Haltestelle an der 86.Straße.Von Vor-freude auf das Fest erfüllt, lächelte er die Menschen an, die aus Restaurants und Geschäften kamen.Niemand schenkte ihm auch nur die geringste Beachtung.ack Reillys Assistent Sergeant Keith Waters wartete schon Jauf ihn in seinem Büro, und mit ihm Lieutenant Gabe Klein, der Leiter der Kriminaltechnischen Abteilung.»Lange nicht gesehen«, kommentierte Waters lakonisch.»Ohne Arbeit halten Sie es wohl nicht aus, oder?« Der gut aussehende Schwarze Ende dreißig verströmte mit seinen wachen, intelligenten Augen eine geradezu rastlose Energie.»Ich vermisse Sie eben«, antwortete Jack.Aber der scherzhafte Ton schwand, als sie zur Sache kamen
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