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.“ De Buffon lächelte und klopfte ihm auf die Schulter.„Als die Spanier nach Mexiko kamen, sahen die Eingeborenen nur ihre weiße Haut und glaubten, sie hätten es mit Göttern zu tun.Sie sahen Reiter, aber da sie keine Pferde kannten, glaubten sie auf den ersten Blick, es seien Fabeltiere – so etwas wie Zentauren.Hätten sie unbefangen hingeschaut, wären ihnen die Sättel und Waffen der Spanier aufgefallen.Und sie hätten sofort gemerkt, dass diese ‚Götter‘ wie ganz gewöhnliche Männer nach Schweiß rochen und nicht nach heiligem Rauch.Was ich damit sagen will: Das Offensichtliche übersehen wir leicht, wenn wir etwas anderes sehen wollen.Unsere Erwartung bestimmt die Beweisführung.Aber glauben Sie mir, das passiert auch den Besten unter uns.Auch ich war fasziniert von der Möglichkeit, dass es eine unentdeckte Tierart sein könnte, aber es war nun mal dieser Wolf.Betrachten Sie also die Dinge besser, ohne zu werten.Nur auf diese Weise kommen Sie der Wahrheit auf die Spur.Das ist die wichtigste Lektion für eine wissenschaftliche Laufbahn.“Thomas schwieg.Das Ganze klang bestechend logisch und glatt, aber irgendetwas in ihm sträubte sich immer noch.Wenn es eine Verschwörung der Engländer war, hätten sie sicher auch Wolfshunde nach Frankreich schaffen können, dachte er.Ob ich jemals von Lafont die Wahrheit erfahren werde?„Na ja, wenn Sie schon mal hier sind, kann ich Ihnen auch gleich einige Pläne geben“, fuhr de Buffon fort.„Kommen Sie.“Thomas zögerte, bevor er dem Forscher wieder ins Arbeitszimmer folgte.Beim Hinausgehen warf er noch einen letzten Blick zurück auf den Wolf.Am Hinterlauf hatte der Präparator eine schlecht verheilte Schusswunde am Gelenk ungenügend kaschiert.Thomas musste an die Nacht mit Bastien im Wald denken, daran, wie der Wolf hinkend davongelaufen war.Und wahrscheinlich ist er gar nicht nach Saint-Julien-des-Chazes gelaufen, sondern wurde eingefangen und dorthin gebracht, damit Monsieur Antoine ihn in aller Ruhe abschießen konnte.„Tja, bis genug Gras über Ihre vermeintlich kriminelle Vergangenheit gewachsen ist, kann ich Sie natürlich bei wichtigen Projekten nicht einsetzen“, sagte de Buffon.„Aber es wird ohnehin Zeit, dass Sie sich in die Botanik einarbeiten.Vielleicht sind Sie ja ganz froh, den Sommer über mehr Zeit für Ihre Frau zu haben? Wann heiraten Sie?“„Morgen“, murmelte Thomas.„Wie schön!“ De Buffon reichte ihm eine Liste.„Also, sehen Sie hier: Der König will in diesem Jahr die Gewächshäuser erweitern.Sie kümmern sich um das Obst für die königlichen Küchen.“Thomas warf einen Blick auf die Liste.Die Lieblingssorten des Königs fanden sich darauf, die kleine Feigenart Sultane und die Erdbeersorte mit den roten Kernen La Versaillaise.Camille und Delphine wären jetzt begeistert, dachte er.VERGISSMEINNICHTTrotz allem ließen ihm die Hunde keine Ruhe.Bis zum Morgengrauen hatte er immer wieder Bild für Bild in seiner Zeichenmappe angeschaut, hatte jede Wunde, jede Spur neu zugeordnet und jede seiner Notizen unter dem neuen Blickwinkel betrachtet: ein Hund und keine unbekannte Tierart.Die Vermutung passte erschreckend gut, aber auch jetzt, als sein Vater ihm nach der durchwachten Nacht nervös die Halsbinde zurechtrückte, hatte er immer noch das quälende Gefühl, etwas Wesentliches übersehen zu haben.„Jetzt mach nicht so ein finsteres Gesicht, Junge.Du gehst zu deiner Hochzeit, nicht zu deiner Hinrichtung!“Alles eine Frage der Betrachtungsweise, dachte Thomas.Ein Diener eilte ins Zimmer, in der Hand eine mit rotem Samt bespannte Schatulle.Sein Vater nahm sie entgegen und überreichte sie Thomas.„Der Familienschmuck deiner seligen Mutter“, sagte er feierlich.„Heute schenkst du ihn deiner Braut.“Thomas nahm die Schatulle an sich, ohne sie zu öffnen.Dann hob er den Kopf.Immer noch kam er sich vor, als würde er das Leben eines anderen Sohnes betrachten.Aus dem Spiegel sah ihn ein düster dreinblickender Edelmann an.Die mit Silber bestickten Handschuhe stammten aus der Familienmanufaktur und kosteten mehr als die kostbaren Schnallen der Kniehosen.Der hellblau und silberweiß gestreifte Rock war neu und saß wie angegossen.Die Chastel-Zwillinge würden ihn sicher für einen Prinzen halten.Er nahm den mit einer Silberborte geschmückten Dreispitz und folgte seinem Vater aus dem Zimmer.Thomas!An schlimmen Tagen wie heute stelle ich mir vor, dass du meine Briefe ungelesen ins Feuer geworfen hast.Ich könnte es dir nicht verdenken nach unserem Abschied im vergangenen Jahr und nach all dem, was danach geschah.Aber kannst du dir vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn das ganze Leben und alles, woran du einmal geglaubt hast, zu Asche zerfällt?Immer noch kommt es mir so vor, als wäre alles verkehrt wie in einem Zerrspiegel.Ich erkenne mein Gesicht darin nicht mehr.Wäre ich glücklicher, wenn du geschwiegen hättest? Ja, vermutlich.Nun trage ich eine Wunde, die sich nie schließen wird, aber wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich sie vielleicht stets gefühlt habe – auch ohne zu wissen, woher sie rührt.An guten Tagen weiß ich, dass du meine Briefe natürlich nie erhalten hast.Es war dumm genug von mir, sie überhaupt zu schreiben, nur damit Jean-Joseph sie ins Feuer wirft.Ich bin allein, ohne Verbündete, eine Geächtete, die selbst gesündigt hat und auch für die Sünden ihres Vaters büßt.Ich kann nur hoffen, dass Jean-Joseph dir wenigstens die Zeichenmappe zurückgeschickt hat.Warum schreibe ich dir immer noch? Vielleicht nur für mich selbst, um Worte für das Schreckliche zu finden.Manchmal träume ich davon, dass es auch mich holen wird.Ich spüre seine Gegenwart und weiß, es lauert auf mich, es wartet nur auf seine Stunde …Isabelle hielt inne.Inzwischen kannte sie jedes noch so leise Geräusch, jedes Knarren, und auch jetzt wusste sie, dass sich die Tür gleich öffnen würde.Rasch faltete sie den Brief zusammen und raffte ihren Rock.Unter dem Unterrock waren die beiden flachen Gürteltaschen befestigt, in denen manche Damen ihre Gebetsbücher aufbewahrten – oder Dinge, die niemand finden sollte.Rasch verstaute Isabelle das Schreiben bei den anderen Briefen und warf ihre Röcke wieder darüber.Dann huschte sie zum Fenster und ließ sich in den Sessel fallen.Keine Sekunde zu früh.Der Schlüssel drehte sich im Schloss.Madame de Morangiès trat, ohne anzuklopfen, ein – und ihr folgte Eric.Meine neue Familie, dachte Isabelle bitter.Heilige Kerkermeister.„Guten Tag, Isabelle“, sagte Eric.Ein Bartschatten gab ihm das verwegene Aussehen eines wilden Jägers.Der frische Geruch nach Frühling und Wald erfüllte die Kammer.„Guten Tag“, erwiderte sie höflich
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