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.Sonst hätte man sie ganz bestimmt auch nicht hier eingesperrt.Und die Zeit kroch weiter.Der Tag ähnelte dem vergangenen.Ein farbloser Himmel, der dann und wann schwachen Regen nieseln ließ.Als Bernina bereits überzeugt davon war, bis zum nächsten Morgen nichts anderes mehr zu sehen als die leeren Steinwände, sprang ihre Tür auf.Der Riese.Diesmal nicht nur mit einer Axt, sondern auch mit einer Pistole bewaffnet, die in seiner Hand zu verschwinden drohte.Er hatte kein Essen dabei, dafür einen Lederriemen.Das eine Ende davon war um sein Handgelenk gebunden.Das andere verknotete er, die Mündung der Pistole vor ihrer Brust, mit geschickten Fingern um Berninas Handgelenk.So führte er sie vor sich her.Durch den Riemen mit ihr verbunden, die Pistole mit dem trichterförmig abschließenden Lauf in der Hand.Über schmale steinerne Stufen durch den dunklen Turm nach unten, dann einen Gang entlang.Staub, Spinnweben, Schmutz, der irgendwann von Stiefelsohlen abgefallen und hier vertrocknet war.Einmal tauchte eine Maus unmittelbar vor Berninas Füßen auf, um sofort wieder in eine dunkle Ecke zu huschen.Sie passierten ein offenes Zimmer, in dem Stühle umgekippt lagen, begraben unter einer dicken Staubschicht.»Wohin bringst du mich?«, fragte sie, um diese Ruhe zu brechen, um dem Kerl zu zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern ließ.Und um das neuerliche Aufwallen kalter Furcht in ihr nicht zu übermächtig werden zu lassen.Der Riese antwortete nicht.»Etwa zum Grafen?«, gab Bernina nicht auf.»Will er auf einmal doch etwas von mir?«Ein plötzliches heftiges Ziehen an dem Lederriemen stoppte ihren Lauf.Der Mann machte eine Tür auf, die sich links von ihnen befand und die Bernina erst gar nicht aufgefallen war.Ein harter Druck der Pistole zwang sie in das Zimmer, das dahinter lag.Diesen Raum zu betreten, war, als würde man von einem nächtlichen Wald verschluckt.Dunkel die Wände, von dunklen Stoffen verhangen die Fenster, dunkel die durcheinanderstehenden Stühle, dunkel die Decken, mit denen die restliche Einrichtung abgedeckt worden war.Diese Beklemmung.Diese Furcht in ihr.Da war sie wieder, und jetzt gab es auch kein Gegenmittel für sie.Sie kroch von den Füßen durch den gesamten Körper, bis unter ihren Haarschopf, sogar bis in die Haarspitzen.Als würde sie barfuß über eine meterdicke Eisschicht gehen.Bernina hatte Angst, Angst wie nie zuvor in ihrem Leben, und irgendwo in ihrem Bewusstsein wirbelten die Bilder eines lange zurückliegenden Morgens auf dem Petersthal-Hof, Bilder von Tod und Zerstörung.Es war ein weiter, verschlungener, gefährlicher Weg gewesen, aber für den Bruchteil eines verrückten Augenblicks kam es Bernina so vor, als hätte sie es von Anfang an genau hierher geführt, in diesen Wald, in diese Festung, zu diesem Mann, der sie erwartete.Er thronte auf einem hohen Stuhl, dessen Lehne weit über sein Haupt reichte.Zum ersten Mal sah sie ihn ohne den breitkrempigen Hut.Seine Augen blickten ihr entgegen, kalt und glühend zugleich.Schwarz der Umhang, der das Silberweiß seines Haars und seines Bartes betonte.Und diese durchscheinende Blässe der Haut.Ein paar Schritte vor ihm fühlte Bernina wieder ein hartes Ziehen am Lederriemen und sie blieb stehen.Bernina wusste, dass er es spürte – dass er ihre Angst riechen konnte.Sie sah es ihm an.Sein lippenloser Mund deutete ein Grinsen an.Und so viele Fragen jagten durch Berninas Gedanken.Warum bin ich hier? Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir? Sie konnte nichts sagen – ihr Kopf war leer.Dann hörte sie seine heisere Stimme.»In der Tat, eine sehr schöne Braut hat er sich da ausgesucht.« Seine Hände, verhüllt von dunkelbraunen Lederhandschuhen, schlossen sich ineinander.Und seine Augen tasteten in aller Offensichtlichkeit ihre Gestalt ab.Er hatte etwas Arrogantes, etwas Überhebliches.Und strahlte Kälte aus.»Aber Jakob von Falkenberg ist ja bestens bekannt für seinen ausgesprochen guten Geschmack«, fuhr der Mann in Schwarz fort.Es erstaunte Bernina, Falkenbergs Namen zu hören.Ihre Gedanken waren die ganze Zeit über beim Petersthal-Hof gewesen, bei dem Blutbad, das dieser Mann, der hier so arrogant vor ihr stand, angerichtet hatte.»Nun ja«, sagte der Graf abfällig.»Mich beeindruckt Schönheit allerdings weitaus weniger.« In sein Grinsen mischte sich ein unbarmherziger Zug.»Merkwürdig nur, dass Falkenberg es dennoch nicht gerade eilig hat, dich zurückzugewinnen.Dabei ist er doch bis über beide Ohren verliebt, wie man hört.Kannst du dir das erklären, warum er zögert? Das ist doch sonst nicht seine Art.«Bernina musste ihre Gedanken ordnen, ihr war überhaupt noch nicht klar, was genau der Mann meinte.»Er zögert?«, wiederholte sie rau.»Ja, das tut er«, entgegnete der Graf ungeduldig, und sie erkannte, wie gefährlich es werden konnte, wenn er einmal seine Beherrschung verlor.»Ich habe ihn wissen lassen, wo er dich findet und dass er dich wiederhaben kann.Aber dein Herzensbrecher lässt sich nicht blicken.«Endlich erfasste sie die Bedeutung seiner Worte, endlich wurde ihr bewusst, dass es hier nicht im Geringsten um sie ging.Der Oberst war das Ziel dieses geheimnisvollen Grafen gewesen.Und das womöglich schon die ganze Zeit über.Sie war nichts weiter als ein Lockmittel für Falkenberg, ein Köder, der bei einer günstigen Gelegenheit geschnappt worden war.Also hatte der Graf wohl auch nicht sie im Auge gehabt, als er Schloss Wasserhain beobachtete – sondern Falkenberg.Bernina war für ihn einfach nur die Braut des Obersts, er brachte sie überhaupt nicht in Verbindung mit dem Petersthal-Hof.»Gesprächig scheinst du nicht gerade zu sein«, unterbrach der Graf höhnisch ihre Gedanken.»Aber besonders bei Damen ist das ja mehr als begrüßenswert.« Er stand plötzlich dicht vor ihr und blickte auf sie herab
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