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.Ich spürte seine Herzschläge wie etwas Tröstendes, das ich festhalten mußte, ganz eng, um nicht zu weinen.Sein Körper war mir vertraut, er gehörte zu mir.Er war verletzlich in seiner Vollkommenheit, vergänglich wie alle schönen Dinge es sind.Ich legte beide Arme um ihn, bergend und schützend.Ich fühlte unsere Liebe, so grenzenlos, wie man sie nicht zum Ausdruck bringen kann.Würden wir stark genug sein, um durch die Welt der Erscheinungen zu gehen? Diese Welt, die unter einem Schleier lag und manchmal schemenhaft vor mir auftauchte – diese Welt erfüllte mich mit Ehrfurcht und Schrecken.Sie war immer gegenwärtig, sie hing über uns, wie der Schatten eines Berges.Denn in Japan waren die Schleier nur dünn.Die Sterne waren erloschen; der Himmel bezog sich; es begann zu schneien.Ein fliegender Nebel von trockenen, fedrigen Flocken, glitzernd im Licht der Laternen, puderte die schwarzen Haare, schillerte auf Seide und Goldbrokat.Und wieder war ich dem Zauber dieses Anblicks so ausgeliefert, daß ich, wenn auch nur vorübergehend, meine Unruhe vergaß.Es war ein Anblick, dem man seine Aufmerksamkeit schenken mußte, hell, gottgeweiht und gefährdet.Mit den voll schwingenden Glockentönen starb das alte Jahr; das neue erwachte.Die nächtlichen Küstengewässer erwachten mit ihm.In phosphoreszie-renden Fluten stoben Luftblasen aus Löchern, tief gespalten und messerscharf gezackt.Der Meeresboden hob sich kaum merklich, wie ein schlafender Körper, wirbelte Sand auf, und für eine Weile wurden die Wasser trübe.Dann sackte der Sand wieder auf den Grund, und alles kam zur Ruhe.Auf dem Berg Miwa jedoch blinzelte die Schlange; der grünlich fahle Kopf hob sich, die gespaltene Zunge flitzte hervor.Der Schnee fiel lautlos über Felsen und Bäume; Rauhreif klebte auf dem alten Schwert.Die Schlange rollte sich enger zusammen.Es würde in dieser Nacht sehr kalt werden.51.KapitelAb Januar unterrichtete Kunio nicht mehr.Wir verbrachten viel Zeit in Miwa, wo er die Sachen seines Vaters ordnete, alte Urkunden, Papiere und Museumskataloge durchsah.Kunihikos Schwerter galten nicht nur in Japan, sondern auch im Ausland als kostbare Sammelobjekte.Einige befanden sich in Privatbe-sitz, doch die meisten wurden in Museen ausgestellt.Kunihikos Werke konnte man im Victoria-und-Albert-Museum in London bewundern, im Fine Arts Museum in Boston, im Musée de Guimet in Paris, im Palacio Real in Madrid.Worte wie Katana- Langschwert – oder Wakizahi – kleines Begleitschwert –wurden mir geläufig.Mich faszinierte die rein technische Meisterschaft ebenso wie die Ambivalenz des Schwertes: ein Kunstwerk, das einst als Waffe Schrecken verbreitet hatte, heute seiner Schönheit wegen bewundert wurde.Kunio erzählte mir, daß japanische Schwerter von Hand zu Hand und von Generation zu Generation als bedeutende Familienschätze weitergegeben wurden.Manche Besitzer verlangten, mit ihrem Schwert bestattet zu werden.»Aber das waren meistens Geizkragen«, bemerkte Kunio dazu, und wir lachten.»Du verstehst diese Dinge«, sagte er.»Viele würden sie nicht verstehen.Das Schwert ist ein Em-blem, die Verkörperung des edelsten menschlichen Bemühens– der Suche nämlich nach Selbstbeherrschung.Es verkörpert das ewige Streben des Menschen, sich durch das, was er schafft, ebenso wie durch sein Verhalten immer höher zu entwickeln, persönlich und als Gemeinschaft, und das Böse in seiner Mitte zu bekämpfen und auszumerzen.«Ich kniete neben ihm auf dem Holzboden in dem Zimmer, in welchem noch der Geist des großen alten Mannes schwebte.»Ich habe noch viel zu lernen.«»Und ich erst!« seufzte Kunio.»Bisher war ich Gehilfe.Jetzt muß ich Meister sein, selber Gehilfen ausbilden.Es gibt so viele Regeln, die es zu beachten gilt.Und mit Regeln konnte ich nie viel anfangen.«»Du hast einen Weg eingeschlagen.«»Ich hoffe, daß er nicht in eine Sackgasse führt!«Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, in der gleichzeitig das Lächeln war, das ich so liebte.Er hatte so viel zu planen, so viel zu überdenken.Er mußte die Werkstatt und den Schmelz-ofen erneuern, wie es nach dem Tod eines Schmiedemeisters Sitte war, seine eigenen Werkzeuge herstellen, jedenfalls seine Zangen und Hämmer.Dann wurde die Schmiede eingeweiht –eine offizielle Feier, bei welcher der Priester die bösen Geister bannte, die das Gelingen des Werkes bedrohten.Erst dann wurden die neuen Erze zum Ofen gebracht und geschmolzen; der Tanz der Hämmer würde im uralten Rhythmus beginnen.Doch bevor das geschah, mußte Kunio mit den Werkzeugen seines Vaters das unvollendete Schwert fertigstellen.Das wür-de seine Prüfung sein, der Beweis, daß er bereit war, das Erbe der Harada-Schmiede anzutreten.Das Schwert, dessen Vollendung Kunihiko das Leben gekostet hatte, wies eine besonders feine, wunderschöne Ayasugi-Komart auf dem Klingengrund auf, und die Schneide war rasiermesserscharf.Jedes Teil des Schwertes hatte seine Bezeichnung.Kunio brachte sie mir bei.Und da ich ein gutes Gedächtnis hatte, behielt ich alles im Kopf.»Siehst du, die Klingenspitze Kissaki hat eine leichte Krümmung, die heute üblich ist.Das Schwert hat ein breites und abgewandeltes Hamon, die Klingenmal-Marke also, die konti-nuierliche Linie hellen Stahls auf der Schneide.An der Boshi -Klingenspitze – hat mein Vater zwei Monate gearbeitet.«Er sprach wie zu sich selbst; es war, als wollte er sich diese Dinge einprägen, sich mit ihnen vertraut machen, um seine eigenen Zweifel zu tilgen.Am meisten beschäftigte ihn die Schnitzerei auf der Klinge, denn erst in dieser Schnitzerei zeigte sich die spirituelle Welt des Meisters, enthüllte sich die wahre Bestimmung des Schwertes.Es bekümmerte Kunio zutiefst, daß sein Vater ihn nicht in seine Pläne eingeweiht hatte.»Aber das war nicht seine Art.Was die Arbeit betraf, war er ein Despot.Ich hatte zu gehorchen, keine eigene Meinung zu haben, blind seinen Anweisungen zu folgen.«Während er sprach, hob er nur wenig die Stimme, so daß man ihn kaum hören oder verstehen konnte; mich irritierte das nie.Es war eine geheimnisvolle Einsamkeit in ihm, doch darin lag nicht das Gefühl der Verlorenheit oder der Druck des Al-leinseins, sondern das Ergriffensein von einem Geheimnis, das er zu ergründen versuchte.Miwa war ein kleines Dorf, in seinen Traditionen verwurzelt.Mitte Januar feierten die Bewohner das »Kleine Neujahr«, wobei der Vollmond den Tag bestimmte.Der Mondumlauf regelte die Feldarbeit, und die Bauern machten sich die Konzentration der günstigen Mondkräfte zunutze.In der Winterzeit, sagte der Volksmund, schläft der Gott der Reisernte auf den Gipfeln der Berge; im Januar steigt er herab und hält mit den Naßfeldern Hochzeit.Da es sich nicht um einen offiziellen Anlaß handelte, sagte Kunio, wolle er mir das Fest zeigen.Die Mittagswärme hatte den Schnee geschmolzen, die Feldwege waren voller Pfützen und Schlamm.Sonnendunst lag über den Feldern wie ein Schleier.Wir schlenderten in Gummistiefeln umher.Die Bauern beachteten uns nicht.Stimmengewirr, Ge-lächter und Trommelschläge erfüllten die Luft.Der pochende Rhythmus umkreiste die Naßfelder, weckte die Erde, bis sie zitternd lebendig wurde, weich wie ein liebender Körper [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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