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.Ich warf meinen Schlafsack auf das Bett.Das Wasser lief aus einem Wasserhahn im Hof.Eine Frau saß dort, rieb Wäsche in der Plastikschüssel und schlug sie auf einen Stein.Sie grüßte verhalten, als ich zur Toilette ging.Das WC war ein Holzbau, mit ein paar Löchern.Ich füllte Wasser in den Krug, wusch mich in der Zelle, über der Schüssel.Ich holte meinen kleinen Spiegel aus der Tasche.Mein Gesicht war braungebrannt, mit Ringen unter den Augen, die Lippen waren aufgesprungen.Ich cremte mich ein, mit Niveacreme.In meinem Haar knirschte Sand.Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche.Chodonla hat ein Badezimmer, hatte Atan gesagt.Ein Seufzer entfuhr mir.Vielleicht konnte ich bei ihr mein Haar waschen, ein Bad nehmen.Ich legte mich auf meinen Schlafsack.Mir war kalt.Ich zog einen Pullover an.Die Herberge hatte ihre vielfältigen Geräusche: Seufzer, Schnarchen, Wimmern, Lachen, das Schlurfen vieler Schritte, das Knarren der Bettfedern, ein gleichmäßiger, unaufhörlicher, intimer Lärm.Hier lebten die Pilger in enger Gemeinschaft; es war, als ob mich nichts von den anderen trennte.Jeder Luftzug, der durch die Ritze der Tür drang, brachte den Geruch nach Stoff, schmutziger Baumwolle und Bratfett.Ich spürte eine merkwürdige Müdigkeit, eine Lethargie, die mir die Augen schloß.Ich lag mit dem Blick zur Decke, mein Herz klopfte dumpf und schnell.Ich fühlte mich wie eine Unbekannte, kam mir ferner und unbegreiflicher vor als alle Fremden, die neben mir sprachen, lachten oder schliefen.Warum war ich hier? Welches Ziel hatte ich, das ich mit solcher Hartnäckigkeit verfolgte? Chodonla? Ich streckte in Gedanken die Arme nach ihr aus; doch sie wich zurück, wie das Antlitz im Wasser, nebelhaft, kalt, in alle Ewigkeit unerreichbar.42754.KapitelEine Hand rüttelte mich an der Schulter.Ich schlug die Augen auf.Die Glühbirne brannte.Ein Schatten streifte über die Wand.Atan.Die rostigen Federn knarrten, als er sich neben mir auf der Bettkante niederließ.Ich hob den Kopf.»Ach Atan, es tut mir leid, ich bin eingeschlafen.«Er sah mich an, saß ganz still, ich hörte ihn nicht einmal atmen.Dann sagte er:»Da stimmt etwas nicht.«Ich richtete mich auf.»Was ist los, Atan?«Er antwortete in seiner gewohnten Art, nachdenklich und leise:»Chodonla war nicht im Amy.Ich habe ein Glas getrunken und bin gleich wieder gegangen.Irgendetwas gefiel mir nicht.«Ich holte tief Luft.Sachte, unmerklich, erfaßte mich Furcht.Die Dinge geschahen, ohne daß ich etwas anderes tun konnte, als sie geschehen zu lassen.Atan fuhr fort:»Ich kenne das von früher.Ich merke, wenn etwas faul ist.Und dann bin ich sehr vorsichtig.«Ich starrte ihn an.Wahrscheinlich sah ich geistesabwesend aus.Er sprach weiter.»Ich bin an Sun Lis Wohnung vorbeigegangen.Alles war wie sonst… Alles, bis auf eine Einzelheit… «Ich rührte mich nicht.Er hielt die Augen unverwandt auf mich gerichtet.»Die drei Blumentöpfe«, sagte er.Ich befühlte mein Gesicht mit den Händen.Was redete er sich da zusammen?»Die Blumentöpfe?« murmelte ich.Er nickte.»Sie stehen nicht mehr vor dem Fenster.«Plötzlich überlief mich eine Gänsehaut.»Was hat das zu bedeuten?«Er stand auf.Die Bettfedern schnellten quietschend hoch.»Nichts Gutes, fürchte ich.Sie liebte ihre Blumen.«Er nahm den Krug, goß Wasser in einen Becher.»Sie wohnt nicht mehr da.«Er leerte den Becher, wischte sich mit dem Handrücken über die 428Lippen.Ich verschränkte fröstelnd die Arme.»Und was nun, Atan?«Er betrachtete mich im Schein der Glühbirne, die an einem Stück Kabel an der rissigen Decke hing.»Chodonla hat ihr Zimmer im Shöl-Viertel behalten.Sie wollte ein Dach über dem Kopf haben, für den Fall, daß Sun Li seine Dienstwohnung aufgab.«Meine Handflächen wurden feucht.»Glaubst du, daß sie da ist?«»Ich hoffe es«, sagte er finster.Ich schwang die Beine aus dem Bett, zog meine Socken an und stellte die Füße auf den Lehmboden.»Komm, laß uns hingehen!«Es war früher Nachmittag; zu dieser Zeit war Markt.Auf dem Weg zum Barkhor-Platz liefen wir an Hunderten von Geländewagen, Bussen, Fahrrädern und Motorrädern vorbei; alle Straßen waren verstopft, aus jedem chinesischen Laden klang Discomusik aus Hongkong.Frauen und Männer trugen Kisten, balancierten Körbe, schoben Handwagen.In einer Gasse kauften modisch gekleidete Tibeterinnen Butter, die Nomaden in Schläuchen aus Yak-Därmen anboten.Nepalesische Straßenzahnärzte hatten ihre Instrumente auf einem Tuch ausgebreitet.Auf dem Fleischmarkt waren alle Schlachter nach wie vor Moslems, denn Tibetern ist das Töten jeglicher Lebewesen nicht erlaubt.Schweine ohne Kopf, halbe Schafe hingen an eisernen Haken an Holzgestellen.Die alten Häuser waren durch Feuchtigkeit und Moder ergraut, und im Erdgeschoß schienen kleine Läden mit ihrem üblichen Angebot an Plastikzeug das Innere zu sprengen.Soldaten in der grünen Uniform der Volksarmee schlenderten über den Markt.Auf den ersten Blick schienen es lauter junge Burschen zu sein; ich beobachtete sie verstohlen und bemerkte, daß sie sich benahmen, als ob Schauspieler eine Show für sie veranstalteten; sie riefen einander zu, steckten die Köpfe zusammen und grinsten.Einer von ihnen zeigte mit dem Finger auf einen uralten Mönch, der auf einer Kiste unter einem chinesischen Filmplakat saß.Er betete mit kräftiger, jugendlicher Stimme; sein Gesicht war ruhig, voller Falten.Sah er die Chinesen, oder sah er sie nicht mehr? Das Gefühl für Heimat stellt sich erst wieder ein, wenn wir Orte und Menschen wiedersehen, die ein Teil unserer Vergangenheit sind und all das verkörpern, was uns einmal lieb war.Hier sah ich nichts, was mein Herz berührte.Meine 429Wurzeln waren nicht mehr hier; die Chinesen hatten sie herausgerissen.Chodonla wohnte in einem kasernenartigen Betonblock, der dreistöckig um einen Lehmhof gebaut war.Jede Wohnung verfügte über einen schmalen Balkon.Einige Kinder spielten Fußball.Es roch nach Abgasen, Müll und Essen.Bevor wir in das Haus traten, warf Atan einen Blick ringsum; ein scharfer, wachsamer Blick, der alles erfaßte.Im Treppenflur war kein Licht, und auf jedem Absatz sechs Türen aus Kunststoff.Hinter den Türen schallten Stimmen, klapperten Töpfe, Kinder riefen, ein Säugling schrie.In dem Haus gab es keine Kanalisation, kein Wasser, keine sanitären Anlagen.Atan ging weiter, die Treppe hinauf.Drittes Stockwerk, wieder sechs Türen.Atan blieb vor einer Tür stehen und klopfte; er tat es schnell und leise, als ob er eine kleine Trommel rührte.Ich holte tief Luft, versuchte meinen Atem in die Gewalt zu bekommen.Ein paar Sekunden vergingen.Zuerst Stille, dann schlurfende Schritte.Dicht hinter der Tür wurde eine Frage gemurmelt.Atan gab keine Antwort, klopfte nur mit dem Fingerknöchel.Ein Rascheln, die Tür öffnete sich einen Spalt, mit quietschendem Geräusch.Im schummrigen Licht, das aus dem mit Zeitungen verklebten Fenster fiel, stand eine kleine Frau mit dunklem Gesicht.Das dünne Haar war zu Zöpfen geflochten, ihr Kleid war geflickt, die gestreifte Wollschürze farblos vom vielen Waschen.Sie sah Atan vor sich im Treppenhaus stehen.Ihre Augen trübten sich; ein leichtes Stöhnen entrang sich ihr, ein Aufschluchzen fast.Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen.Da glitt ihr Blick an ihm vorbei, richtete sich auf mich.Ein Ausdruck fassungsloser Panik erfaßte ihr Gesicht.Ihr Mund zitterte in einem verzweifelten Versuch, etwas herauszuschreien.Doch nur eine Art ersticktes Gurgeln drang aus ihrer Kehle.Sie taumelte zurück, die Hand auf den Mund, als hätte sie ein Gespenst erblickt.Atan fing sie auf, als die Knie unter ihr nachgaben.Schlaff wie eine Stoffpuppe, die Augen verdreht, hing sie in seinen Armen.Ich hielt ihren Kopf.»Rasch, aufs Bett! Öffne das Fenster!«Er tat, was ich sagte
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