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.Immer wieder hatte Tessa erlebt, wie ihre Mutter ihren Vater mit ihrem Seufzen oder mit Tränen manipulierte.Vermutlich hatte sie Charaktereigenschaften beider Elternteile geerbt.Obwohl auch sie von Natur aus eher ein gelassener Typ war, besaß sie einen Drang nach Unabhängigkeit, der sie des Öfteren mit ihrem Vater aneinandergeraten ließ.Vor allem stritten sie sich häufig über die beste Erziehungsmethode für Leslie Anne.“Ich verstehe”, sagte Lucie ins Telefon.“Das sind doch gute Nachrichten.”“Was ist los?”, fragte Tessa.Lucie ignorierte ihre Frage und sagte: “Ja, sie ist hier.Nein, er ist mit den Hunden draußen.” Dann wandte sie sich an Tessa.“Es ist Dante, für Sie.Es gibt Neues über Leslie Anne.Und er hat noch ein paar Fragen.”Tessa riss ihr förmlich den Hörer aus der Hand.“Haben Sie meine Tochter gefunden?” Bitte, lieber Gott, bitte!“Nein, tut mir leid.Noch nicht.Aber es wird nicht mehr lange dauern.”Einen Moment lang wurde Tessa von Enttäuschung übermannt, aber als Dante noch einmal ihren Namen sagte, war sie wieder voll da.“Ja, Mr.Moran.Was kann ich für Sie tun?”“Wir haben herausgefunden, dass Leslie Anne mit ihrer Freundin Hannah Wright die Autos getauscht hat.Das heißt, die Behörden haben bisher nach dem falschen Fahrzeug gesucht.”“Hannah hat mir geschworen, sie wüsste nichts.Aber wahrscheinlich hat Leslie Anne sie gebeten, niemandem etwas zu verraten.” Tessa versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.“Und jetzt sucht die Polizei nach dem richtigen Wagen?”“Eine Fahndung nach dem roten BMW Z4 der Wrights ging sofort raus, und es gibt bereits drei Rückmeldungen.Ein Wagen vom selben Typ wurde leer und mit abgeschraubtem Nummernschild in Louisiana gefunden.Mein Kollege Vic ist bereits vor Ort.”Tessa schnappte nach Luft.“Er hat mich soeben darüber informiert, dass es sich nicht um den Wagen von Hannah Wright handelt.”“Gott sei Dank!” Tessa stieß einen Laut der Erleichterung aus.“Hannahs Wagen wurde mittlerweile anhand des Kennzeichens identifiziert.Er steht auf dem Parkplatz des Motel Bama in Tuscaloosa, Alabama.Die örtliche Polizei ist in diesem Moment unterwegs dorthin.”Tränen stiegen Tessa in die Augen.“Und Leslie Anne?”“Das wissen wir noch nicht.Aber Dom und ich sind gerade per Hubschrauber nach Tuscaloosa geflogen und befinden uns schon auf dem Weg zum Motel.Sobald wir mehr wissen, melde ich mich wieder.”“Danke.”“Tessa?”“Ja?”“Denken Sie daran: Es geht Ihrer Tochter gut.Vertrauen Sie darauf, dass wir sie bald nach Hause bringen werden.Versprechen Sie mir das?”“Ja.Das … das kann ich machen.”“Gut.”Tessa hielt Lucie das Telefon hin.Erstaunlicherweise zitterte ihre Hand gar nicht.Nach außen hin war sie völlig ruhig.Aber innerlich war sie ein reines Nervenbündel.“Hat er Ihnen dasselbe gesagt, was er mir gerade gesagt hat?”, fragte Tessa.Lucie nickte, klappte das Telefon zu und klemmte es wieder an ihren Gürtel.“Wir können jetzt nur warten.Ich weiß, das ist nicht leicht.Aber Dante wird sich bei uns melden, sobald …”“Es geht Leslie Anne gut, und er wird sie bald nach Hause bringen.”Lucie lächelte.“So ist es recht.Immer positiv denken.”Ja, das würde sie.Sie musste einfach glauben, dass ihr Kind nicht in Gefahr war, denn alles andere wäre unerträglich.Falls Leslie Anne etwas zustieße, wüsste sie nicht, was sie tun würde.Ihre Tochter war ihr Leben.Über die gesamte Zeit der Schwangerschaft hatte sie sich immer wieder gefragt, ob sie das Kind ihres Vergewaltigers wirklich lieben könne oder ob sie es nicht doch hassen würde.Ihr Vater hatte ihr vorgeschlagen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, und sie hatte sich diese Möglichkeit gründlich durch den Kopf gehen lassen.Aber dann hatte ihre Mutter zufällig von ihrer Schwangerschaft erfahren, als sich zwei Krankenschwestern über Tessas Zustand unterhielten.Anne Westbrook, der man aus Rücksicht auf ihren eigenen Gesundheitszustand nicht gesagt hatte, dass ihre Tochter vergewaltigt worden war, hatte Tessa gebeten, das Kind zu bekommen.Wie hätte sie ihrer todkranken Mutter diesen Wunsch abschlagen können?Und komischerweise war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie Leslie Anne dann zum ersten Mal im Arm hielt.Etwas in ihr – der Mutterinstinkt? – diktierte plötzlich alles, was sie fühlte und tat – damals wie heute.Eine tiefe Liebe für das Neugeborene und das Bedürfnis, es zu beschützen, hatten sich ihrer bemächtigt.Doch sie selbst war noch nicht vollständig genesen und musste sich weiterhin von den Folgen ihres “Unfalls” erholen.Daher mussten sich ihre Eltern schon gleich nach der Geburt sehr viel um Leslie Anne kümmern.Aber an dem Tag, als sie ihre Tochter zur Welt brachte, hatte Tessa sich geschworen, eines Tages wieder ganz gesund zu werden, völlig egal, wie lange sie dafür brauchen würde.Von den schlimmen körperlichen Verletzungen hatte sie sich mittlerweile auch vollständig erholt, doch emotional war sie selbst jetzt noch, siebzehn Jahr später, alles andere als stabil.“Das ist Ihr neues Zimmer”, erklärte der Assistant Manager, als er mit der Keycard die Tür öffnete.“Ich stelle Ihnen noch eben den Koffer rein, dann bin ich sofort weg.”Obwohl Leslie Anne ein leichtes Unbehagen empfand – ihr Überlebenstrieb? – versuchte sie sich einzureden, dass dieser Mann einfach nur freundlich war und seinen Job erledigte.Sie streckte die Hand nach ihrem Koffer aus.“Das schaffe ich schon allein.Vielen Dank.”Der Mann lächelte sie an, und sie kam sich dumm vor, dass sie an seinen Motiven gezweifelt hatte.Mr.Joe Thompson.Jemand, der etwas Böses im Schilde führt, nennt ja wohl nicht seinen Namen.“Wie Sie wünschen.” Er reichte ihr den Koffer.“Oh, und noch etwas.In Ihrem Zimmer wartet ein Obstkorb auf Sie.Ein kleines Dankeschön für Ihr Verständnis und Ihre Kooperation.”“Oh.Tja … Vielen Dank.”“Und wenn wir sonst noch etwas für Sie tun können, melden Sie sich einfach bei mir im Büro des Managers.”Und damit drehte sich Joe Thompson um und ging.Leslie Anne entfuhr ein Seufzer der Erleichterung.Ich wusste es doch.Es war albern zu glauben, der Typ hätte irgendwas mit mir vor.Der Verkehr in Tuscaloosa war schrecklich.Vielleicht lag es an den vielen Tausend Studenten, die hier lebten und dauernd unterwegs waren.Dante trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad, als sie schon wieder vor einer roten Ampel stehen bleiben mussten.“Jetzt werd schon grün!”, brummte er vor sich hin.“Bleib ruhig”, sagte Dom zu ihm.“Es sind schon Polizisten im Motel und gehen von Zimmer zu Zimmer.Wenn Leslie Anne Westbrook dort ist, wird man sie finden.”“Ja, ich weiß.Aber irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl.Mein Bauch sagt mir, dass da etwas nicht stimmt.Und mein Bauch hat meistens recht.”“Deinen eigenen Ratschlag selbst annehmen kannst du aber nicht, oder?”“Was?”Die Ampel sprang auf Grün.Dante wäre am liebsten die Straße hinuntergeflogen, aber bei dem starken Verkehr schafften sie nicht mal die erlaubte Höchstgeschwindigkeit.“Du hast doch vorhin Ms.Westbrook am Telefon gesagt, sie soll daran glauben, dass es ihrer Tochter gut geht.”“Was hätte ich ihr sonst sagen sollen?” Vor allem, da sie selbst als Teenager vergewaltigt worden war
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