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.«»Wir alle sind Invaliden der Zeit«, sagte Martin.»Du auch?«»Auch ich.Oder meinst du, es ist mir gleichgültig, daß mein Vater zu dieser braunen Bande gehörte und daß meine Mutter …« Martin brach jäh ab, aber er konnte das Wort nicht mehr einholen.»Was ist mit deiner Mutter?« fragte Felix leise.»Nichts«, wich der Freund aus.»Hast du ihr – nicht geschrieben?«»Wohin?«»Du weißt nichts von ihr?«»Doch«, entgegnete Martin, »neunzehnhundertvierzig, als ich Soldat in Frankreich war, schrieb ich an Maman in die unbesetzte Zone und erhielt keine Antwort.Ich wandte mich an die Mairie – erfuhr, daß sie einen Monsieur Rignier geheiratet hatte und mit unbekanntem Ziel verzogen sei.Ich schrieb an ihren Bruder, der mich wissen ließ, daß Maman in Übersee lebe und von mir nicht mehr belästigt werden möchte.Es galt wohl weniger mir als meiner Uniform, meinem Vater – aber immerhin …«Felix wußte, wie Martin sich als Junge an seine Mutter geklammert hatte.Er war dreizehn gewesen, als die Eltern geschieden wurden und seine Mutter nach Frankreich zurückging; ein einziges Mal hatte er sie in Südfrankreich besuchen können, dann war der Krieg gekommen.»Wer sagt dir«, entgegnete Felix, »daß deine Mutter jemals den Brief erhielt?«»Natürlich befürchtete ich das auch; sicher war es mehr die Antwort ihres Bruders als ihre eigene.Aber – sie hat einen anderen Mann, vielleicht Kinder aus zweiter Ehe – sie lebt in einem anderen Land, in einer anderen Welt – soll ich nun mit jahrzehntelanger Verspätung kommen und sie – eine alte Dame – aus allem herausreißen?«»Willst du sie finden oder nicht?« fragte Felix frontal.»Nein«, antwortete Martin schroff.Er wartet, daß sie ihn sucht, dachte Felix, und fürchtet, daß sie ihn vergessen hätte.In dieser Sache ist er trotzig wie ein Junge und empfindsam wie ein Mädchen.Ich habe ihm den Vater genommen – vielleicht könnte ich ihm die Mutter …Er griff wieder zum Glas, und Martin übersah es.Sie füllten den Abend mit unnötigen Worten und überflüssigen Schnäpsen.Felix wurde zynisch, Martin melancholisch; beide hielten sich an den Alkohol, umbrandet von Lachen, Lärm und Lebenslust, genarrt von Bildern der Vergangenheit.Felix spürte, wie die Vision langsam auf ihn zukroch.Sein Kopf schmerzte.Seine Nerven gierten nach dem Alkohol.Seine Zunge wurde pelzig, sein Mund trocken; die Sucht hämmerte gegen die Schläfen.Die Muskeln am Hals zogen sich zusammen, zuckten.Plötzlich kommt er aus dem Hintergrund, lautlos, mit gefesselten Händen, die er hebt, ein Gesicht wie ein Friedhof.Ein Toter, der noch lebt, ein alter Mann, kein tobender Mörder, der in die Nacht geht, in den Keller, um herausgerissen zu werden, nach oben, über den Gang, auf das Schafott zu, gestützt, gezerrt.Fünfzehn Meter Leben noch, zwanzig Schritte bis zu dem widerlichen Blutgerüst mit der Falltreppe.Daneben der Gerichtsmediziner.Der Pfarrer betend.Der rotgesichtige Henker mit der schwarzen Kapuze in der Hand.Elf Meter noch.Haltet ihn! Ein Irrtum – ich will doch alles klarstellen – ich will kein Mörder sein! Halt! Stop! Schluß!Felix sprang auf, so schnell, daß ihn Martin nicht zurückhalten konnte.Mit blindwütigen Sätzen lief er Amok, mitten aus dem Lauf mit vorgestrecktem Kopf rammte er mit voller Wucht den Türrahmen – das Blutgerüst.Der Anprall schleuderte ihn zurück.Er schlug hart am Boden auf.Martin beugte sich über ihn, sah in das verzerrte Gesicht mit den offenen Augen.Blut schoß aus dem Haaransatz, lief über die Schläfen, die Nase, das Kinn, rann den Hals hinab.Die Musik setzte aus.Gäste sprangen von den Sitzen.Zurufe schwirrten durcheinander.»What's the matter?« rief ein Leutnant.»Holt doch einen Arzt!« fluchte der Klubmanager.»Bloß a B'suffana«, sagte ein Mädchen.Die Arme des Verletzten waren vom Körper gestreckt, starr, steif.Martin versuchte mit geschickten, behutsamen Händen die Blutung zu stillen, mit Taschentüchern, die man ihm reichte.»Los, fassen Sie doch mit an!« schrie er dem Kellner zu.Sie trugen den Bewußtlosen in den Nebenraum, legten ihn auf ein Sofa nieder.Mit jedem Herzschlag schoß neues Blut aus der Wunde.Martin, vom Krieg als Feldscher ausgebildet, spürte instinktiv, daß von der Stirnverletzung nicht die Gefahr kam, in der der Freund schwebte.Er redete ihm verzweifelt zu, aber er sah nur in das entstellte Gesicht eines Menschen, der aussah wie ein Toter des Straßenverkehrs.Ein Uniformierter drängte Martin beiseite, ein US-Captain mit Äskulapstab am Kragenspiegel.Er suchte den Puls, schüttelte den Kopf, schob die Augenlider des Patienten noch weiter nach oben, hielt den Spiegel vor seinen offenen Mund, sah, daß er matt anlief.Captain Snyder wirkte zugleich wütend und besorgt; er war Dozent an der Princeton-Universität und zur Zeit Chefarzt eines Militärhospitals, ein kleiner, wendiger Mann mit grauen Haaren und jungen Augen; er trug den ›Silver Star‹.»Call a car!« rief er einem Sergeanten zu, ohne den Blick von dem Patienten zu wenden, »make it snappy!«»Sir«, versuchte Martin den Arzt anzusprechen, »is he very bad?«»Wer sind Sie?« fragte der Captain in fließendem Deutsch; er musterte Martin unfreundlich.»Ein Freund von Captain Lessing.«»Ein Freund?« wiederholte der Arzt.»Sieht zu, wie sich Felix zu Tode säuft? Verschwinden Sie!«Sie hoben Felix auf eine Bahre, Felix, der nichts sagte, sich nicht rührte, der noch immer die Augen offen hatte und vielleicht schon in der Agonie schwebte.Martin stand lange vor dem US-Hospital.In der ersten Blässe des grauenden Morgens begriff er schließlich, übermüdet und ernüchtert, daß ihn die Posten der Militärpolizei nicht einlassen würden.Vier Tage später lag der Patient schmal und ärmlich auf dem Feldbett, das weiß bezogen war und von dem sein Gesicht fahlgelb abstach.Sein linkes Auge war durch einen Mullverband verdeckt, das rechte unnatürlich groß, die Stirn geschwollen und von blauen Flecken entstellt [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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