[ Pobierz całość w formacie PDF ]
.Niemand ging ran.Dann fiel ihr ein, dass sie das Telefon stumm geschaltet hatte.Sie hatte verhindern wollen, dass Pia ans Telefon ging, wenn Karl anrief.Auch wenn der sich nur nachts meldete, hatte sie sichergehen wollen.Pia saß in der Küche.Sie trank einen Tee.Obwohl sie tagsüber das Haus gehütet und auf den Jungen aufgepasst hatte, benahm sie sich jetzt wieder wie ein Gast.Sie sprach wenig und hatte beide Hände zwischen ihre Oberschenkel gepresst.Marie öffnete eine Flasche Wein – komisch, seit Karl desertiert war, hatte sie immer Wein im Haus – und setzte sich mit zwei Gläsern zu Pia an den Tisch.»Wie ist es gelaufen?«, fragte Marie.»Gut.Wir haben uns prächtig amüsiert.« Pia lachte etwas gezwungen.Marie schenkte Wein in die Gläser.Sie schob Pia ein Glas hin.Die beiden Frauen prosteten sich zu.»Und bei dir?«, fragte Pia, als sie ihr Glas abgestellt hatte.Marie hatte das Gefühl, dass es sie Überwindung kostete, ihr diese Frage zu stellen.Marie wollte Pia nicht alles erzählen.Vielleicht, weil sie sich ein wenig schämte, so naiv gewesen zu sein.Vielleicht aber auch, weil sie sich selbst noch nicht darüber im Klaren war, wie sie auf das, was in Berlin mit ihr geschehen war, reagieren sollte.Vor allem aber, weil Marie niemandem mehr traute.Niemandem.Sie war längst die Witwe eines Gefallenen, die sich alleine um alles kümmern musste.Nur dass sie nicht nur für ihren Sohn verantwortlich war, sondern auch für das Leben ihres Mannes.»Es war sehr aufschlussreich.Ich habe mit dem Psychologen gesprochen.Er hat mir einiges sagen können, was mir vielleicht weiterhilft.«»Ah, ja«, sagte Pia und trank einen großen Schluck Wein.Sie verschluckte sich.Marie fragte sich, ob sie die junge Schwedin damit langweilte.»Übrigens«, sagte Pia, »Gunter hat sich nicht gemeldet.« Sie klang, als wollte sie das Thema wechseln.»Vielleicht morgen«, sagte Marie und nahm Pias Hand.Wie unsensibel sie gewesen war.Natürlich wartete die junge Frau auf ein Lebenszeichen ihres Bruders.Marie dachte daran, dass sie das Telefon abgestellt hatte und Pia den ganzen Tag auf einen Anruf von Gunter gewartet hatte.Pia reagierte auf Maries Händedruck.Sie lächelte sogar.»Er wird sich sicher melden«, sagte Marie.Pia nickte.Marie hatte das Gefühl, dass Pia gleich weinen würde.Sie nahm sie in den Arm.Pia ließ es geschehen.Marie schien es, dass sie nun ruhiger atmete.Marie tat es auch gut.Jetzt erst bemerkte sie, dass es sie belastet hatte, eine Fremde in ihrem Haus zu haben.Eine Fremde, die auch noch auf ihr Kind aufpasste, während sie weg war.Aber jetzt hielt sie Pia im Arm.Sie war keine Fremde mehr.Pia fühlte sich gut an.Besser als ihr Bruder, dachte Marie.Sie war weich und roch frisch.Ihre Haare berührten Maries Wangen.Marie entspannte sich.Nach diesem schrecklichen Tag.Nach diesen Wochen.Nach allem.Pia war einfach da.Und sie machte keine Probleme.Im Gegensatz zu ihrem Bruder.Pia wollte nichts von Marie.Im Gegenteil.Sie half ihr sogar.Sie war eben eine Frau.Marie schloss die Augen.Es war ihr warm.Wohlig.Pia streichelte ihren Handrücken.Das kitzelte und wirkte gleichzeitig besänftigend.Die beiden Frauen lehnten ihre Köpfe aneinander – Marie war größer als Pia und musste sich deshalb etwas zu ihr hinunterbeugen.Sie hörten ihrem Atem zu.Pia drückte sich enger an Marie.Als suchte sie Schutz bei der Älteren.Doch dann machte Pia sich plötzlich los und drückte ihren Rücken durch.Sie rieb sich die Stirn wie jemand, der erst mühsam wieder zu vollem Bewusstsein kommen muss.»Was tue ich da?«Marie spürte einen vagen Unwillen – sie kam sich vor wie ein Liebhaber, der sich unerwartet eine Abfuhr geholt hatte.Marie schenkte Wein nach und trank einen kräftigen Schluck.Das tat ihr gut.Der Alkohol machte sie wieder nüchtern.»Wie ist das …« Pia rückte von ihr weg und drehte sich gleichzeitig zu ihr hin.»Was?« Marie fürchtete, Pia könnte ihre Unsicherheit meinen.Sie wollte jetzt kein Gespräch über Gefühle.»… wenn der Mann im Krieg ist?«Marie lehnte sich zurück und dachte nach.Womit sollte sie anfangen? »Er wird dir fremd.Er geht weg als dein Mann und kommt als ein anderer wieder.«»Als ein anderer?«, fragte Pia und hob die Augenbrauen, als sei das, was Marie ihr gesagt hatte, ihr fremd.Marie ging es mit Pia wie manchmal mit Felix: Wenn sie sich nicht sicher war, ob der Junge schon reif genug war für das, was sie ihm sagen wollte.»Als einer, der getötet hat.Er geht als der, den du liebst.Und er kommt als Mörder zurück.«Pia trank so schnell, dass ihr Glas überschwappte und der Wein ihr übers Kinn lief.Marie holte ihr ein Stück Küchenrolle.Pia errötete leicht, als sie sich damit das Kinn abwischte.»Soldaten sind Mörder.Glaubst du das auch?«Pias Ton zeigte Marie, dass sie sie verärgert hatte.»Nein.So meine ich das nicht.Es ist nichts Politisches.Es ist was anderes.Wenn er im Kosovo wäre oder sonstwo, hätte ich das gleiche Problem.« Marie biss sich auf die Lippe.Dass es ihr solche Schwierigkeiten machte, Pia gegenüber diesen einfachen Sachverhalt auszusprechen …»Welches Problem denn, zum Teufel?« Pia kicherte unsicher.Dann wurde sie schlagartig ernst und angelte sich Maries Hand.Marie verkrampfte sich, sie zog ihre Hand zurück.Als sie das Erschrecken in Pias Mädchengesicht bemerkte, gab sie ihre Hand jedoch wieder zurück.Pia griff dankbar danach.Was war bloß los mit diesem seltsamen Mädchen aus Südschweden?»Ich hatte Angst, dass durch seine Schuld Menschen ums Leben kommen könnten.«Pia starrte sie an.Marie war sich nicht sicher, ob ihre Worte bei ihr angekommen waren.»Verstehst du? Wenn er jemanden tötet … Ich weiß nicht, ob ich dann weiter mit Karl leben könnte …«Pia nickte.Ihre Unterlippe ließ sie dabei etwas fallen.»Aber …« Sie schlug die Augen nieder.»Ich meine, er ist doch tot.Wie soll er da noch jemanden umbringen?«Für einen Moment war Marie versucht, Pia zu sagen, dass Karl am Leben war.Dass er sich in Kundus aufhielt.Dass sie Anrufe von ihm bekam.Es hätte ihr geholfen, es Pia zu erzählen.Sie hätte ihr auch gerne gesagt, dass die Angst, Karl könne jemanden umbringen, sie monatelang gelähmt hatte.Dass diese Angst aber jetzt der Angst gewichen war, Karl könne selbst umgebracht werden.Doch sie tat es nicht.Es gab etwas, das sie davon abhielt.Stattdessen sagte sie: »Ja.Er ist tot.Es ist aber nicht ausgestanden.Nichts ist ausgestanden.«Marie konnte nicht schlafen.Dabei war es schon nach eins, und nach dem anstrengenden Tag in Berlin fühlte sie sich todmüde.Sie lag wach und dachte darüber nach, was sie in Berlin erlebt hatte.Jemand schlich über den Flur.War Felix aufgewacht? Dann wollte er jetzt zu ihr ins Bett.Irgendwann musste das aufhören.Wenn der Junge die ganze Nacht neben ihr lag, machte sie erst recht kein Auge mehr zu.Es wurde leise an die Tür geklopft.Marie knipste ihre Nachttischlampe an.»Herein!«, sagte sie.Pia schlüpfte herein.Sie trug einen roten Slip und ein ausgeleiertes T-Shirt mit einem Segelschiff.»Ich wollte dir noch was sagen.«Marie setzte sich auf.Sie kam sich wie die Mutter eines Teenagers vor, die sich nachts etwas über Liebeskummer ihres Sprösslings anhören musste.Pia war verlegen.Sie verschränkte die Arme vor der Brust.Ihre nackten Beine zitterten.Marie lüftete ihre Bettdecke.»Komm schon!«Pia schlüpfte ins Bett.Sie war ausgekühlt und kuschelte sich sofort ein.Marie ließ es geschehen.»Also!«, sagte sie.Pia sprach in Maries Achselhöhle.»Dein Karl war Soldat.Und du … Du bist eine Soldatenfrau.« Sie drehte sich ihr zu
[ Pobierz całość w formacie PDF ]