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.Ihre Liebe zu abgefahrenen Lampen hat Christine nicht verloren.Wieso glaube ich eigentlich, sie noch zu kennen, denkt er, und Daniel nicht mehr? Nur weil ich in den letzten zwölf Jahren immer wieder an sie gedacht habe? Vielleicht.An Daniel hat er nicht gedacht.Oder nur selten.Oder, das ist wohl das Wahrscheinlichste, er wusste nicht, dass er an Daniel dachte, weil es zwischen Daniel und ihm keine klare Grenze gab.Wenn er sich erinnerte, an sich selbst, wie er früher war, was er getan, gelassen, gewollt oder vermisst hatte, dann dachte er Daniel automatisch mit.—Er hatte seine Gitarren nicht mitgenommen, hatte Daniel eine Notiz auf den Tisch gelegt, mit der Bitte, sie zu verkaufen und das Geld auf Bennos Konto einzuzahlen.Viel mehr stand nicht auf dem Zettel, nur dass er weg sei, dass es ihm leidtue, dass er Daniel viel Glück wünsche und ihn bitte, ihm nicht böse zu sein.Dann war er von Frankfurt aus über Atlanta nach New York geflogen, hatte sich dort einen Wagen gemietet und war durch die Staaten, zuerst nach Süden, dann nach Westen gefahren.Und schon kurz hinter Washington hatte er festgestellt, dass er nichts mit sich anzufangen wusste.Eine Stadt nach der anderen anzufahren, ein Motel in den immer gleichen Stadtrandgebieten mit ihren Tankstellen, Supermärkten, Restaurants und Möbelhäusern zu suchen, einchecken, dann downtown fahren, dort nicht wissen, was er tun soll, raus zum Motel, irgendwas essen, fernsehen, schlafen, weiterfahren.Er langweilte sich.Er fuhr durch Filmbilder und suchte immer öfter Countrysender im Autoradio, bewegte sich um der Bewegung willen von einem Ort zum nächsten, und das Einzige, was ihm daran gefiel: Er war niemand.Nirgendwo.Der Nowhere Man.Der Nighthawk.Der mit einem Glas Bourbon in der Ecke sitzt und nicht dazugehört.Bald fing er an, nach Musikläden zu suchen, in denen er stundenlang die verschiedensten Gitarren ausprobierte, nie akustische, immer elektrische, und immer öfter griff er nach einer Stratocaster, denn die klang auch trocken gut, und er fand sich auf dem Hals zurecht.Und in Raleigh kaufte er eine.Sie war rot, sehr gut verarbeitet, klang phantastisch über den kleinen dazugekauften Miniverstärker, den er im Auto an den Zigarettenanzünder anschließen konnte, und er spielte sie auf Parkplätzen, wenn er dort alleine war, oder nachts im Motel, so leise, dass kein Zimmernachbar gestört wurde.Er musste neu anfangen.Eine E-Gitarre ist ein anderes Instrument.Man fasst sie viel vorsichtiger an als eine akustische.Aber auf einmal war er wieder jemand.Ein Musiker.—Die Countrysongs im Autoradio hatten ihm Lust gemacht, nach Nashville zu fahren und sich in den Clubs dort umzuhören, und er begriff, dass er unterwegs wohl meist die besseren Sender erwischt hatte, denn der Kitsch, der unter dem Rubrum Country firmiert und das gesamte Genre vergiftet, überschwemmte ihn erst hier – er wäre wohl angeekelt aus der Stadt geflohen, hätte er nicht die guten Songs noch im Ohr gehabt: New Country.Singer-Song-writer mit Bluegrass- und rockigen Einflüssen.Bald kannte er ein paar Clubs, in denen ihm die Musik gefiel, und er ging fast jeden Abend hin.Sagte ihm die Band im einen nicht zu, dann zog er um zum nächsten.Weil man oft nicht rauchen durfte, trank er ein bisschen mehr.Er kaufte sich ein Wohnmobil, um weiter nach Westen zu fahren, aber er blieb fast drei Monate.Tagsüber spielte er Gitarre für sich selbst, abends streunte er durch die Musikclubs, und nachts war er zu betrunken, um irgendwas an diesem Leben falsch zu finden.Geldsorgen hatte er keine.Geld gab es auf der Bank.—»Hast du nicht langsam mal Hunger?«, fragt Christine irgendwann.Inzwischen packen sie Bücher aus.Sie liegen schon alphabetisiert in den Kartons, Benno reicht sie ihr, und sie stapelt sie so, dass man alles in einem nächsten Schritt nur noch der Reihe nach in die Regale stellen muss.»Doch«, sagt er.Er führt sie zu Brinkmann.Das Lokal ist klein, wenige Tische, schlanke Karte, gute Weine, von deren Qualität er sich allerdings nur hat vorschwärmen lassen, er rührt keinen an.Er trinkt Wasser.Sie sind nicht sehr gesprächig, aber es fühlt sich nicht peinlich oder zäh an.Christine kennt ihn so, er war schon früher wortkarg und einsilbig, es fällt ihm nicht ein, die Ruhe mit dem Absondern von Text zu stören.Sie essen.»Ich freu mich drauf, wieder hier zu leben«, sagt sie irgendwann.»Die Stadt ist viel schöner geworden.«»Ja«, sagt er, »nicht mehr so verdruckst wie früher.«»So ein Lokal wie das hier hätte es damals nicht gegeben.Klein, gut und lässig und nicht mal verrückt teuer.«»Vielleicht hätten wir’s auch bloß nicht entdeckt.«»Stimmt.Wir hätten nur nach einer Pizzeria gesucht«, sagt sie und lächelt.Sie sind die letzten Gäste.Das hat sich in dieser Stadt nicht geändert, hier ist noch immer früh Schluss
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