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.Vor Mitternacht, so nahm sie an, brauchte sie sich nicht auf die Lauer zu legen; dann aber, wenn die Uhr zwölf geschlagen hatte und alles still war, würde sie, sofern die Furcht vor der Finsternis sie nicht überwältigte, noch einmal hinausschleichen und einen Blick hinüberwerfen.Die Uhr schlug zwölf – und Catherine schlief schon eine halbe Stunde.IX.KAPITELAm nächsten Tag fand sich keine Gelegenheit, die geheimnisvollen Gemächer zu erkunden.Es war Sonntag, und die gesamte Zeit zwischen dem Morgen- und dem Nachmittagsgottesdienst galt es, sich mit dem General an der frischen Luft zu ergehen und hernach mit kaltem Braten zu stärken; und so groß Catherines Neugier auch war, reichte ihr Mut doch nicht aus, um sich nach dem Essen noch aufzumachen, nicht im schwindenden Tageslicht zwischen sechs und sieben Uhr und auch nicht bei dem noch begrenzteren, wenngleich helleren Schein einer verräterischen Lampe.Der Tag verging deshalb, ohne daß ihre Phantasie neue Nahrung erhalten hätte, außer durch einen hocheleganten Denkstein für Mrs.Tilney, der in der Kapelle direkt vor der Familienbank stand.Von diesem wurde ihr Blick sogleich angezogen und lange gefesselt; und die Lektüre des hochpathetischen Epitaphs, in dem der untröstliche Gatte, der ja auf die eine oder andere Weise ihr Vernichter gewesen sein mußte, der Verstorbenen jede nur erdenkliche Tugend bescheinigte, rührte sie regelrecht zu Tränen.Daß der General als Errichter des Steins auch seinem Anblick standhielt, durfte vielleicht nicht verwundern, und dennoch: daß er in so dreister Gefaßtheit vor ihm sitzen konnte, daß er den Kopf so hoch trug und so furchtlos um sich blickte, ja daß er sich überhaupt in die Kirche wagte, schien Catherine unbegreiflich.Nicht daß ihr nicht etliche andere Sünder eingefallen wären, die ähnlich abgebrüht durchs Leben gingen.Sie konnte Dutzende aufzählen, die dem Laster in jeder nur denkbaren Form gefrönt hatten – die Verbrechen um Verbrechen begangen, wahllos gemordet hatten, ohne je ein menschliches Rühren oder gar Reue zu empfinden, bis ein gewaltsamer Tod oder das Klosterdasein ihre schwarze Laufbahn beendeten.Die Existenz des Denksteins als solche konnte ihre Zweifel am Ableben Mrs.Tilneys jedenfalls in keiner Weise ausräumen.Selbst wenn man sie in die Familiengruft hinabführte, in der angeblich ihre Asche ruhte; selbst wenn man ihr den Sarg zeigte, der ihre sterblichen Überreste enthalten sollte – was hieß das in so einem Fall schon? Catherine kannte sich zu gut aus, um nicht bestens zu wissen, wie leicht eine Wachsfigur ins Spiel gebracht und ein Scheinbegräbnis durchgeführt werden konnte.Der folgende Morgen ließ sich verheißungsvoller an.Der frühe Spaziergang des Generals, so unpassend er auch sonst sein mochte, wirkte sich hier günstig aus; und kaum wußte sie ihn aus dem Haus, schlug sie Miss Tilney auch schon vor, ihr Versprechen doch jetzt wahrzumachen.Eleanor war es recht; und da Catherine sie im Gehen auch noch an ein anderes Versprechen erinnerte, galt ihr erster Besuch dem Porträt in ihrem Schlafzimmer.Es zeigte eine sehr hübsche Frau mit sanftem, nachdenklichem Gesichtsausdruck und entsprach insofern den Erwartungen seiner neuen Betrachterin – nicht zur Gänze jedoch, denn Catherine hatte fest damit gerechnet, in ihren Zügen, ihrer Haltung, ihrem Teint auf das Exakteste, wenn schon nicht Henry, so doch zumindest Eleanor wiederzufinden; – bei den einzigen Porträts, die bislang in ihrer Vorstellung Platz gehabt hatten, waren Mutter und Kind einander wie aus dem Gesicht geschnitten.Ein Gesicht, einmal auf die Leinwand gebannt, behielt seine Gültigkeit über Generationen.Hier dagegen mußte sie vergleichen und suchen, um Ähnlichkeiten aufzuspüren.Trotz dieses Makels betrachtete sie das Bild aber voller Ergriffenheit und hätte sich, wäre nicht ein anderes Interesse noch stärker gewesen, nur schwer davon losreißen können.Als sie die große Galerie betraten, war sie so aufgeregt, daß an Sprechen nicht zu denken war; sie konnte ihre Gefährtin nur ansehen.Eleanors Ausdruck war bedrückt, aber ruhig; seine Gefaßtheit bezeugte, daß all das Düstere, zu dem sie unterwegs waren, nichts Schreckliches mehr für sie bereithielt.Wieder durchschritt sie die Flügeltür, wieder lag ihre Hand auf dem alles entscheidenden Knauf, und Catherine, die kaum zu atmen wagte, wollte gerade mit ängstlicher Behutsamkeit die Türflügel hinter ihnen zuziehen, als am anderen Ende der Galerie die Gestalt, die gefürchtete Gestalt des Generals auftauchte! Im selben Moment hallte den Gang entlang ein donnerndes »Eleanor«, was seine Tochter überhaupt erst auf ihn aufmerksam machte, Catherine jedoch von einem Schrecken in den nächsten stürzte.Sie hatte sich bei seinem Anblick instinktiv zu verstecken versucht, aber sie konnte kaum hoffen, unbemerkt geblieben zu sein; und sowie ihre Freundin, die mit einem entschuldigenden Blick an ihr vorbeihastete, bei ihm angekommen und mit ihm verschwunden war, flüchtete sie sich in die Sicherheit ihres Zimmers und schloß sich ein, vollauf überzeugt, daß sie sich niemals wieder nach unten wagen würde.Mindestens eine Stunde saß sie dort, völlig aufgelöst, außer sich vor Mitleid mit ihrer armen Freundin, und stählte sich dafür, ihrerseits von dem erzürnten General in seine Räumlichkeiten zitiert zu werden.Die Vorladung blieb aus; und als sie zu guter Letzt eine Kutsche vor der Abtei vorfahren sah, faßte sie sich ein Herz und ging hinunter, um sich unter dem Schutz von Besuchern der Begegnung mit ihm zu stellen
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